Nachhaltigkeit und Energiewende 07.04.2016

Tesla on the Road - ein Erfahrungsbericht

Ein Erfahrungsbericht: Mit dem Tesla on the Road - VERBUND

Vorbemerkung: der Autor bekennt sich freimütig zu seiner Ignoranz gegenüber fahrenden Untersätzen, zu seiner überzeugten Lebensweise als Großstädter und ohne Reue zum Bekenntnis des militanten Radfahrers. Mobilität war für mich immer Mittel zur Zielerreichung, niemals Selbstzwecke. „Spazierenfahren“ löst bei mir Kopfschütteln aus, den Begriff „Fahrvergnügen“ ordne ich ein unter behandlungswürdige Psychosen.

Ein „sportliches“ Auto weckt bei mir ähnliches Interesse wie eine Kalashnikov beim Papst. Darum halte ich mich für eine ideale Testperson für den Tesla S. Kollege Hans Görig, ein bis in die Haarwurzeln überzeugter Verfechter der E-Mobilität und „heavy user“ liefert den Einstieg mit dem Miet-Tesla von www.e-carent.org . Zu Testzwecken darf ich einen Tag mit dem Tesla verbringen. Ziel ist ein Lokalaugenschein bei der Fischwanderhilfe in Ottensheim, die kurz vor der Vollendung steht und eine Mitarbeiterveranstaltung im nahegelegenen Wels.

Zugegeben: Auch für einen Autoverächter ist beim Tesla augenscheinlich, dass sich hier ein Designer Mühe gegeben hat, nicht den Bronzenen Blumentopf für abstoßendes Design abzuräumen. Bei der Fahrzeugübergabe steht ein kurzer Abstecher nach Gänserndorf zur dortigen Smatrics-Schnellladestation auf dem Parkplatz eines bekannten nordeuropäischen Möbelhauses auf dem Programm.

Automatikschaltung und E-Motoren sind an sich nichts Neues, hat VERBUND doch in seiner Dienstwagenflotte einige E-Autos und Hybridfahrzeuge. Angesichts einer weit entfernten, einsamen grünen Ampel meint mein Beifahrer im gelassen-väterlichen Tonfall des Fahrlehrers: „Kommens, des geht sich aus.“ Na gut, also mal aufs „Gas“pedal gedrückt und Huiiiiii! Der Kopf schmerzt ein wenig vom Aufprall auf die Nackenstütze, der Brustkorb wölbt sich nur mühsam wieder in seine Stellung zurück. Mit ähnlichem Schub erreicht eine Rakete die Erdumlaufbahn. Ich beschließe, den Fußtaster das „Straßenverkleinerungspedal“ zu taufen. Für denkbar halte ich auch  „Raum-Zeit-Kontinuumsveränderer“ – alles besser als „Gaspedal“. Das ist sowas von 2000er, #dankewasserkraft. Dem Verleiher muss ich geloben, nicht schneller als 140 km/h zu fahren, zumindest im Ortsgebiet.

Gespenstisch ist die Einweisung in den Autopiloten auf nächtlicher Gänserndorfer Strecke. Plötzlich bewegt sich das Lenkrad von selbst. Die Maschine hat die Kontrolle übernommen. Seitenweise existieren dazu philosophische Traktate, mahnende Leitartikel unbequemer Denker und billige Science Fiction. Natürlich behalte ich die Hände stets am Lenkrad.

So darf ich also für einen Tag lang die Zukunft der Mobilität schnuppern. Schon bei der Heimfahrt am Gürtel kommt das Unvermeidliche. Mein Nachbar am Fahrstreifen wird meines Gefährtes gewahr. Unmissverständlich betätigt er den Motor seines süddeutschen Marken-Kraftfahrzeuges laut wahrnehmbar in dem Begehr, Auskunft über meinige Motorleistung zu erhalten. Nun ist es praktisch unmöglich, mit einem Elektromotor anständig aufzuheulen – hier wäre eine Marktlücke für eine neue Smatrics-App und eine Empfehlung für Tesla zu einem kräftigen Außenlautsprecher. Das Ritual verlangt aber nach einer Reaktion meinerseits und mangels akustischer Möglichkeiten greife ich auf die international anerkannte Zeichensprache zurück und signalisiere meinem Nachbarn, dass ich unter anderem seine Motorleistung für maßlos überschätzt halte.

Bei solchen Gelegenheiten ist man dankbar für die eingebaute Heck-Kamera des Tesla, die dem Fahrer ermöglicht, sich am dummen Gesichtsausdruck eines provokanten Nachbarn zu delektieren. Da das Vergnügen nur extrem kurz währt (weil besagter Nachbar ist schnell außer Sichtweite), sollte eine Screenshot-Option zur Verfügung stehen. Übrigens: Das oben beschrieben Verhalten, das aus der Tierwelt hinlänglich bekannt ist, wird mir am kommenden Tag noch mehrmals begegnen. Selten wurden mir verhaltensauffällige Verkehrsteilnehmer so bewusst wie auf dieser Fahrt.

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Dank Smatrics überall verfügbar: Strom aus Wasserkraft zum Nachtanken

Der nächste Morgen stellt sowohl Intelligenz als auch Geduld auf eine harte Probe: Fahrt ins Büro nahe der Wiener Innenstadt in der Früh. Dazu hätte es keinen Feldversuch gebraucht: Die effizienteste Form der E-Mobilität in der Stadt ist nicht der Tesla, sondern die Bim. Ob ein Auto mit Strom, Kohle oder Birnenschnaps betrieben wird, ist egal – Stau ist für alle gleich. Ein Tesla verstellt die Straße genauso wie ein Dieselfahrzeug. Wer mit einem Tesla 5.000 Meter zur Arbeit pendelt, schmiert sich wohl auch Butter mit dem Samurai-Schwert aufs Brot. Aber egal: Für einen sauber recherchierten Blog-Beitrag muss der Redakteur Opfer bringen.

Der Höhepunkt des Tages wartet aber an der Westautobahn. Schon auf Höhe Hütteldorf endlich das Unvermeidliche: Der Fahrer einer deutschen Premiummarke (mit österreichischer Besitzerfamilie) erkühnt sich, provokant zu überholen. Die Autobahn ist leer, das Wetter trocken, die Sicht gut. Ente Doris und ich wechseln kurz einen Blick. Einladung angenommen. Das „Ortsveränderungspedal“ rastet ein, die Straße verengt sich zu einem dünnen Faden. Der einzige Grund, warum kein Schallknall die Fenster der Wienerwald-Anrainer sprengt ist, dass der Tesla fast vollkommen lautlos fährt. Einziger Nachteil: Mein Ladezeiten-Plan fällt über den Haufen, schon in Ybbs führe ich dem Tesla frischen Strom aus dem nahegelegenen Donaukraftwerk nach. Der Fahrer des oben beschriebenen Fahrzeugs einer deutschen Premiummarke dürfte zu diesem Zeitpunkt noch in Böheimkirchen weilen.

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Die Zacken markieren jeweils sportliche Begegnungen mit unbelehrbaren Fossil-Mobilisten

Er ist der erste einer Reihe von Benutzern vornehmlich süddeutscher Automobilmarken, die in Physik nicht aufgepasst haben und den fundamentalen Nachteil eines Explosionsmotors gegenüber einem Elektromotor schlicht ignorieren. Zu Beginn der Reise freue ich mich in kindlicher Naivität über das schöne Spielzeug und vom „Deutsche-Welle-Sampler“ röhrt Markus: „Mein Maserati geht 210 – schwups, die Polizei hats nicht gesehen, das macht Spaß…“ Aber beim dritten Fahrzeuglenker eines Automobils aus süddeutscher Marke fange ich an, mich zu langweilen.
Vom Laien für Ahnungslose: Da ein Elektromotor nur ein einziges bewegliches Teil hat, wird er immer einem Motor, der mit Kolben, Gelenkstange und anderen beweglichen Teilen Energie verschenkt, überlegen sein. Die bloße Leistung von 67 Kilowatt darf nicht mit dem üblichen Faktor von 1.359 in PS (geht’s noch mehr retro?) umgerechnet werden.

Den Tesla auf seine Antriebskraft zu reduzieren, wäre ein gewaltiger Fehler. Die Genialität besteht nicht nur aus der Kombination von Sportwagendesign, Stauraum und sauberer Energie, sondern wird ergänzt durch einen Bordcomputer, der für Sicherheit sorgt. Gewahr werde ich des Problems beim Versuch, eine Telefonnummer herauszufinden. Die Ablenkung ist evident, die Aufmerksamkeit für die Straße nicht ausreichend gegeben. So eine Spur hält sich nicht von alleine und ich werde der Torheit gewahr, zu der ich mich hatte hinreißen lassen: Fahren kann der Tesla von alleine. Der Autopilot hält Spur, Abstand und Geschwindigkeit und kann selbst übermüdeten, nur von Aufputschmitteln wach gehaltenen Fernfahrern und ihren gemeingefährlichen Überholmanövern problemlos ausweichen.
He, Smatrics, noch eine Idee! Wenn der Tesla schon selber fährt, dann könnte der Bordcomputer auch gleich das Fluchen übernehmen. Mit einer jungendfreien Tesla-Basisausstattung Grundausstattung und einem Schwarzmarkt für illegale Apps, die wahlweise wienerisch, englisch oder bayerisch fluchen.

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Blaue Lampe: Tesla hat die Kontrolle. Selbstverständlich sind beide Hände vorschriftsgemäß am Lenkrad, nur leider außerhalb des Bildausschnittes.


Beide Hände haben vorschriftsgemäß am Lenkrad zu liegen, um bei Versagen der Automatik eingreifen zu können. So kann man locker fühlen, wie sich das Steuerrad bewegt und mit welcher Präzision der Tesla die Spur hält. Es gibt in Wien Straßenbahnen, die mit mehr Schlingern unterwegs sind. Die sichere Steuerung erlaubt es, sich dem Breitbild-Display zu widmen, z.B. der Verbrauchsstatistik (sportlich) oder die Navigation zur nächsten Smatrics-Schnellladestation. Ladekabel hat der Tesla im geräumigen Kofferraum.
Dabei wirft sich auch die Frage auf, ob diese Methode des Autofahrens auch im Zustand der fortgeschrittenen Alkoholisierung zulässig wäre. Mit der im Waldviertel üblichen scherzhaften Frühschoppen-Verabschiedungsformel „Setzt‘s mit ins Auto, i foa eich ham“ wäre die Sache (dank Tesla) in der Theorie erledigt. Eventuell ist dies eine Rettungsmöglichkeit für notleidende Landgasthäuser in strukturschwachen Regionen?

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Strahlt mit der Sonne um die Wette: der Tesla an der Fischwanderhilfe in Ottensheim.

Ohne weiteren Aufenthalt geht es zum Fototermin an der Fischwanderhilfe in Ottensheim, die längste ihrer Art. Am Rande der Bundesstraße wird klar, wie wohltuend Elektromobilität für die Landschaft wäre, denn der Straßenlärm ist beachtlich.

Nächste Station ist ein Parkplatz in Wels. Während Tesla sich wieder ein paar Kilowattstunden holt, hole ich die der Gattin versprochene Blumenerde (gibt’s grad im Sonderangebot). Einkaufsmöglichkeiten gäbe es natürlich auch anderswo, aber der Elektromobilist steuert sein Reiseverhalten nach den angebotenen Infrastrukturlösungen.

30 Minuten entfernt begrüßt im Anschluss Vorstandsvorsitzender Wolfgang Anzengruber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Donaukraftwerke zu einer Informationsveranstaltung. Eigentlich wollte ich nur kurz Werbematerialien aus dem Auto laden, doch die früh eingetroffenen Kolleginnen und Kollegen lassen mich nicht mehr weg. Wie ein exotisches Tier wird der Tesla bestaunt und gestreichelt. Besonders begeistert sind die technikaffinen Lehrlinge aus der Lehrwerkstätte Ybbs, die mich zu einer Parkplatzrunde überreden. Ein Kollege will unter die Motorhaube sehen, darf er natürlich. Dort ist nur die Blumenerde (im Sonderangebot), denn der Tesla hat auch vorne Stauraum. Ein Elektromotor ist nicht nur effizienter, er ist auch kompakter. Deswegen bietet der Tesla Stauraum wie ein Kombi, schon wieder ein Pluspunkt auf der Liste. Bis die Lehrlinge fest im Berufsleben stehen, wird er vielleicht auch leistbar sein, um den größten Nachteil des Tesla wenigstens einmal erwähnt zu haben.

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Begeistert sind die Kenner aus der Lehrwerkstätte Ybbs, die mit Enthusiasmus und Fachkenntnis über den Tesla urteilen


Die abendliche Heimfahrt ist gemütlich. Irre sollen schnell fahren, ich genieße die zuverlässige Unterstützung durch den Tesla-Copiloten und spiele mit dem Tempomaten. Tatsächlich fährt der Tesla wesentlich sicherer auf der kurvenreichen Allander Autobahn als ich es selbst tun würde. Wenn alle 9 Donaukraftwerke von einem Computer gesteuert werden können, dann kann so ein Fahrzeug keine Herausforderung mehr für die Technik darstellen. Der individuell einstellbare Sicherheitsabstand lässt genügend Zeit, vorausschauend auf andere Verkehrsteilnehmer zu reagieren. Wer zurückhaltendes Fahren gewohnt ist, wird das Tesla-Service schätzen.

Fazit des Einsteigers: ein Auto mit erzieherischer Kompetenz, was Nutzungsverhalten und Fahrstil angeht. Noch ist es ein Spielzeug für Überzeugte oder Schnösel, aber das waren Digitaluhren und Mobiltelefone auch einmal. Empfehlung: Unbedingt ausprobieren, bevor sichs jeder leisten kann!

 

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Fotocredits: VERBUND/Florian Seidl